Wir haben mit Förster Christoph Dries vom zuständigen Forstamt Wiesbaden Chausseehaus über die Lage im Niedernhausener Wald gesprochen:
Eine neue Herausforderung: Was macht den Forstwirten gerade Sorgen?
Ein großes Gesprächsthema ist im Moment der Zweipunktige Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus). An vielen Stellen in unserer Region greift dieser derzeit die durch den Klimawandel stark vorgeschädigten Eichenbestände an. Die erwachsenen Käfer sind ungefähr 1 cm groß, metallisch grün gefärbt mit zwei charakteristischen weißen Punkten. Sie legen ihre Eier in den tiefen Furchen in den Rinden der Eichen ab, nach 10 bis 14 Tagen schlüpfen die Larven und graben sich in die Baumrinde ein.
Die Eichen im Niedernhausener Wald sind noch nicht so stark befallen wie in einigen benachbarten Gemeinden. Allerdings sehen wir auch hier sich den Eichenprachtkäfer ausbreiten.
Greift der Käfer nur Eichen an, und wie reagieren die Bäume?
Der Eichenprachtkäfer ist evolutionär perfekt an das Leben auf Eichen angepasst, Eichen sind seine ökologische Nische. Eichen verteidigen sich durch die Gerbsäure in ihrer Rinde gegen Schädlinge, der Eichenprachtkäfer kann damit gut umgehen. Normalerweise bedroht seine Anwesenheit Eichen nicht in ihrem Bestand. Wenn sich die Käfer auf alten, bereits geschwächten Bäumen ansiedeln, können sie deren natürlichen Alterungs- und Verfallsprozess beschleunigen. Das ist ein völlig normaler natürlicher Vorgang. Jetzt ist es aber so, dass durch jahrelange Trockenheit sogar die eigentlich resilienten Eichen flächendeckend unter Stress stehen. Auch jüngere Bäume, die eigentlich „voll im Saft stehen“ müssten, sind sozusagen dauerhaft im Krisenmodus. Der Eichenprachtkäfer findet mehr Bäume, die sich weniger gut gegen ihn verteidigen und vermehrt sich dementsprechend schneller.
Während ihrer Entwicklung fressen die Larven des Eichenprachtkäfers am Kambium. Das ist die Gewebeschicht zwischen der Rinde und dem eigentlichen Holz des Baumes. Hier liegen wichtige Nährstoffleitbahnen des Baumes. Werden diese durch Larvenfraß unterbrochen, wird der Baum nicht mehr optimal versorgt. Ob eine Eiche vom Eichenprachtkäfer befallen ist, bemerkt man eigentlich erst, wenn es zu spät ist. Die Bohrlöcher der Larven wie auch die Ausflugslöcher sind sehr klein und nur aus nächster Nähe zu erkennen. Deutliche Anzeichen wie Verfärbungen der Rinde und verdorrten Ästen zeigen Bäume erst, wenn sie bereits geschädigt sind.
Welche Maßnahmen werden getroffen?
Es gibt verschiedene Strategien, um mit Eichenprachtkäferbefall umzugehen. Leider fehlen bisher ausreichende Erfahrungswerte oder wissenschaftliche Studien, um eine sichere Vorgehensweise festzulegen.
Solange, wie es in Niedernhausen der Fall ist, nur einzelne Bäume oder kleine Baumgruppen vom Eichenprachtkäfer befallen sind, werden diese gefällt und entnommen. Dabei muss man darauf achten, alle Teile des Baumes aus dem Wald zu entfernen und zu entsorgen. Dazu gehört auch die Rinde, da sich die Larven des Eichenprachtkäfers auch in im Wald verbleibenden Rindenstücken weiter vermehren können. Auch das „richtige Timing“ ist wichtig. Eingeschlagene Eichen müssen vor dem Ausfliegen der Käfer im April aus dem Wald abgefahren werden. Daher werden in diesem Frühjahr aus Termingründen keine Eichen mehr entnommen.
Kahlschläge von Eichen im großen Stil wird es sicher nicht geben. Dies ist sehr aufwändig und auch ökologisch fragwürdig. Eichen gehören zu den Baumarten, die den meisten Insekten Lebensraum bieten. Auch ihr Totholz ist als Lebensraum sehr wichtig.
Die Wirksamkeit unserer Maßnahmen werden wir genau beobachten. Auf Grundlage der gewonnen Erfahrungen wird dann über eventuelle weitere Maßnahmen 2025 entschieden.
Was wird in Niedernhausen für die Förderung der Eichenbestände getan?
Im Zusammenhang mit dem Eichenprachtkäfer stellt sich natürlich die Frage, wie sich die Eichenbestände entwickeln werden. 2023 wurden vier Flächen von zusammen etwa 2,5 Hektar mit einer Mischung aus Eichen und Edellaubhölzern neu bepflanzt, weitere Pflanzaktionen sind für 2024 geplant. Noch idealer und natürlicher wäre eine Wiederbewaldung durch „Naturverjüngung“. Das bedeutet, das junge Bäume aus den Samen vorhandener Bäume wachsen sollen. Gerade Eichen sollten sich gut vermehren können, da ihre Samen vom Eichelhäher verbreitet werden. Für eine Naturverjüngung von Eichen spricht weiterhin, dass jetzt gegen den Eichenprachtkäfer und Trockenheit „kämpfende“ Bäume genetische Informationen zur Anpassung an Bedrohungen an ihre Nachkommen weitergeben können. Wir würden uns so unsere eigene, resilientere und an den hiesigen Standort angepasste Eiche züchten.
Weitere Informationen zum Eichenprachtkäfer finden sich auf der Webseite von HessenForst:
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