Feier zum Volkstrauertag in Niederseelbach: Gedenktafel eingeweiht | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Wie in jedem Jahr haben wir am vergangenen Sonntag in Niedernhausen den Volkstrauertag begangen.

Feier zum Volkstrauertag in Niederseelbach: Gedenktafel eingeweiht

Die zentrale Gedenkfeier der Gemeinde fand auf dem Friedhof in Niederseelbach statt, in Engenhahn und Oberjosbach kamen die Dorfgemeinschaften zu weiteren kleinen Feiern zusammen.

Der Volkstrauertag als offizieller staatlicher Gedenktag existiert seit 1952 und dient der Erinnerung an Gefallene und zivile Opfer beider Weltkriege und die Opfer des Nationalsozialismus. Dies könnte etwas sein, das weit zurückliegender Geschichte angehört. Leider ist auch unser Leben immer noch von Kriegen, Diktaturen und deren Folgen geprägt. Selbst der Blick in die unmittelbare Umgebung, wie in die Ukraine oder den Nahen Osten, zeigt es leider jeden Tag. Bei der Gedenkfeier riefen denn auch sowohl Ortsvorsteher Martin Brömser als auch Bürgermeisterin Lucie Maier-Frutig zur Wachsamkeit und zum Einstehen für Werte wie Demokratie, Menschenrechte und friedliches Zusammenleben auf. „Wenn wir heute trauern, dann steht dies aber im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter Menschen und Völkern – wir tragen Verantwortung, zu Hause und in der Welt Frieden zu bewahren,“ sagte die Rathauschefin.

Bei der Feier in Niederseelbach wurde in diesem Jahr dreier Personen in besonderer Weise gedacht. In allen Dörfern im Taunus hängen an den Ehrenmälern Tafeln mit Namen – Namen, die auch heute noch Familien in unseren Gemeinden tragen. Martin James Mullane, Terrell Leonard Hollis und Hoover Cleveland Baucorn stammten aber nicht aus dem Taunus, sondern aus den US-Bundesstaaten Nebraska, North Carolina und Tennessee. Als Soldaten der amerikanischen Luftwaffe waren sie mit ihrem Bomber vom Typ Consolidated B-24 über dem Rhein-Main-Gebiet abgeschossen worden. Die drei konnten sich per Fallschirm retten und gerieten, heil am Boden angekommen, in Kriegsgefangenschaft. Gemäß der Genfer Konvention hätten sie das Recht auf menschliche Behandlung und gute Aussichten darauf gehabt, den Krieg unbeschadet zu überstehen. Anstatt sie aber an die militärischen Behörden zu übergeben, befahl der Bürgermeister von Niederseelbach (gleichzeitig NS-Ortsgruppenleiter) dem Niederseelbacher Ortspolizisten, die drei amerikanischen Soldaten zu erschießen. Keine legitime Aktion gegen feindliche Kombattanten, sondern ein völkerrechtswidriger Mord, verübt in der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1944. Die drei Soldaten wurden zunächst in Niederseelbach beerdigt, nach dem Krieg aber umgebettet.

Bei ihren Recherchen zur Zeit des Nationalsozialismus in unserer Region stießen Silvia Berger-Hönge aus Idstein und Frank Weimar aus Oberseelbach auf gleich mehrere Fälle so genannter „Fliegermorde“ in unserer Region. Durch Zeitzeugenberichte neugierig gemacht, stießen die beiden Lokalhistoriker auf umfangreiches Aktenmaterial amerikanischer Behörden, die in zahlreichen Fällen ermittelt hatten. Tatsächlich waren die Verantwortlichen für die Niederseelbacher Morde nach dem Krieg zur Verantwortung gezogen und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Diese Recherchen inspirierten den Niederseelbacher Ortsbeirat zu einer Entscheidung: Bevor die letzten Erinnerungen an die drei Ermordeten aus dem Gedächtnis verschwinden, sollte ein dauerhafter Erinnerungsort geschaffen werden. Am Denkmal vor der Trauerhalle erinnert jetzt eine Tafel an Mullane, Hollis und Baucorn. Gemeinsam mit den deutschen Gefallenen und Kriegsopfern wird hier in Zukunft ihrer gedacht werden.

Die Gemeinde Niedernhausen möchte sich bei allen herzlich bedanken, die diese würdige Feier mitgestaltet haben! Unser besonderer Dank gilt der evangelischen Kirchengemeinde Niederseelbach, der Freiwilligen Feuerwehr Niederseelbach, dem Bläserensemble und für die Aufstellung der Gedenktafel verantwortlichen Gemeindemitarbeitern!

Übrigens 1: Silvia Berger-Hönge und Frank Weimar haben ein kleines Buch über die Ergebnisse ihrer Recherchen herausgegeben. Es ist in der Buchhandlung „Büchereule“ in Niedernhausen sowie im „Hexenbuchladen“ in Idstein und in der Idsteiner Tourist-Info im Killingerhaus erhältlich.

Übrigens 2: Die „Hessenschau“ des HR hat gestern Abend einen kleinen Bericht über die Gedenkfeier gebracht. Diesen gibt es zum „Nachschauen“ in der Mediathek des HR:

Bericht in der Hessenschau