Der „Krötenweg“ in Oberseelbach heißt nicht ohne Grund so! Bei steigenden Temperaturen machen sich jedes Jahr im zeitigen Frühjahr Erdkröten auf den Weg von ihren Winterquartieren im Wald zu Gewässern, um dort ihre Eier abzulegen (der Fachausdruck lautet „laichen“). In Oberseelbach gibt es gleich zwei solche „Wanderwege“. Sie führen jeweils aus dem Wald unterhalb der Hohlen Steins heraus und zu Teichen entlang des Seelbaches zwischen Lenzhahn und Niederseelbach. Das Problem: Die Kröten müssen dabei die viel befahrene Landesstraßen L3273 jeweils unterhalb und oberhalb von Oberseelbach überqueren. Die Amphibien wandern grundsätzlich bei Dunkelheit, was die Sache nicht einfacher macht! Zwei engagierte Teams von ehrenamtlichen Naturschützern sichern seit vielen Jahren mit viel Einsatz die beiden „Kröten-Hotspots“.
Die Erdkröte ist deutschlandweit die weitverbreitetste Amphibienart und kommt hier beinahe flächendeckend vor. Erdkröten erkennt man an Ihrer bräunlichen Färbung, unzähligen Warzen auf der Oberseite und den kupfer- bis goldfarbigen Augen mit einer längsovalen Pupille. Die deutlich größeren Weibchen können bis zu 12 cm lang werden, während die kleineren Männchen maximal 9 cm lang werden. Diese haben dafür deutlich muskulösere Vorderbeine, mit denen sie sich bei der Wanderung zu den Laichgewässern an das Weibchen klammern und sich den meisten Weg dorthin tragen zu lassen. Auch sind sie in der Lage Rufe abzugeben. Die Weibchen hingegen sind stumm.
Damit die Tiere bei ihrer jährlichen Wanderung nicht in großer Zahl überfahren werden, gibt es schon seit vielen Jahren Krötenzäune in kritischen Bereichen. Am Kreisel zwischen Nieder- und Oberseelbach unterhält die NABU-Gruppe Niedernhausen einen mobilen Krötenzaun, der jedes Jahr von engagierten Freiwilligen auf- und wieder abgebaut wird. Die Kröten wandern am Zaun entlang, fallen in eingegrabene Eimer und können von Helfern eingesammelt und über die Straße getragen werden.
Am Ortsausgang in Richtung Lenzhahn betreut der BUND einen festen Metallzaun, an dem entlang Röhren unter der Straße hindurchführen. In beiden Fällen benötigt es viel ehrenamtliches Engagement, um die entsprechenden Maßnahmen während der Krötenwanderung sicherstellen zu können. Zusätzlich zu den Aktiven der beiden Verbände gibt es immer wieder Bürgerinnen und Bürger, die in Oberseelbach kleinere private „Hilfsaktionen“ für wandernde Kröten durchführen.
Die Frage, wie viele Kröten jedes Jahr auf ihrer Wanderung eingesammelt werden, ist immer spannend. Die Zählung lässt gewisse Rückschlüsse (wenn auch keine haargenauen Ergebnisse) für die Entwicklung der Krötenpopulationen in unserer Region zu. Die Helferinnen und Helfer leisten also ein echtes Stück „citizen science“ (Bürgerwissenschaft).
Warum aber eigentlich so viel Aufwand wegen „der paar Kröten“? Amphibien (Frösche, Kröten und Lurche) haben es nicht leicht. Nicht nur bringt stark wechselhaftes Wetter ihre Paarungszeiten durcheinander. Immer häufiger vorkommende trockene Sommer lassen die Feuchtgebiete austrocknen, von denen diese Tiere abhängig sind.
Trotz Schutzmaßnahmen wie unseren Niedernhausener Krötenzäunen sind die Bestandszahlen von Erdkröten wie von allen Amphibien leider rückläufig. In Oberseelbach kommt ortsauswärts in Richtung Lenzhahn noch eine spezielle Schwierigkeit hinzu: Die Kröten der dortigen Population laichen im Teich im „Damwildgehege“. Um dorthin zu gelangen, müssen sie den befestigten Feldweg nach Lenzhahn (Verlängerung der Straße „Im Merzgrund“) und umliegende Wege überqueren. Und nicht nur das: Krötenmännchen und -weibchen bilden oft schon auf der Wanderung Paare, das etwas größere Weibchen trägt das Männchen auf dem Rücken zum Laichgewässer. Es gibt insgesamt deutlich mehr männliche als weibliche Kröten. Viele „Single-Männchen“ warten geduldig die gesamte Wanderperiode über auf dem erwähnten Feldweg am Damwildgehege auf eine Partnerin, die „noch frei“ ist. Der Weg ist dazu bestens geeignet, da er wartenden „Kröterichen“ beste Sicht bietet, auf alles, was dort wandert… Allerdings wird auch dieser Weg bisweilen befahren.
Zum Schutz der Kröten hat die Gemeinde den Weg während der Krötenwanderung in den letzten Jahren gesperrt. Diese Maßnahme hat sich bewährt, berichtet Birte Sterf, die für den BUND diesen Teil der Oberseelbacher Krötenrettung koordiniert. Leider wurde die Absperrung in diesem Jahr durch ein Fahrzeug zerstört. Wir weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass solche durch die Ordnungsbehörde angeordneten Sperrungen unbedingt zu respektieren sind. Wer vorsätzlich in diesem Bereich die geschützten Kröten überfährt, begeht nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine Straftat. Dieses verbietet das Töten von Tieren ohne triftigen Grund!
Auch ohne solche Zwischenfälle war die Krötenwanderung 2025 ungewöhnlich. Im Vorjahr hatte sich die Wanderung wegen des stark wechselhaften und bis in den März sehr kalten Wetters lange hingezogen und war in kurzen „Schüben“ abgelaufen. In diesem Jahr war die Saison „kurz, aber intensiv“. Nur 36 Kröten haben Alexandra Hornig und ihre Mitstreiter vom NABU am Kreisel unterhalb des Dorfes gezählt. Die meisten davon an einem einzigen Tag, am 23. März! Am anderen Ende von Oberseelbach tat sich auch lange nichts. Dann setzte die Wanderung am 21. März ein und war am 01. April bereits zu Ende. 92 „Doppeldecker“ (zusammen wandernde Kröten-Pärchen), und 80 am Teich wartende „Single-Männchen“ haben Birte Sterf und ihre Unterstützer dort gezählt. Das sind nur die von den Helfern „angetroffenen“ Tiere, die tatsächliche Population ist sicher noch größer.
Eine überraschende Meldung kam aus der Siedlung Wildpark in Engenhahn. Von dort berichtet uns Simon Piontek, dass Erdkröten aus dem umliegenden Wald zum Laichen in Gartenteichen auf Privatgrundstücken „einwandern“. Dabei ist der Seelbacher Weg zu überqueren – keine Hauptverkehrsstraße, aber trotzdem für Kröten gefährlich. Gemeinsam mit seinen Kindern Jordi (8) und Lalia (10) war der Engenhahner hier im Einsatz, um den wandernden Amphibien über die Straße zu helfen.
Allen Menschen in Niedernhausen, die in dieser Saison den bedrohten Amphibien geholfen haben, danken wir herzlich für diesen Beitrag zum Artenschutz!
(Dieser Artikel basiert auf und verwendet Informationen, die uns Frau Alexandra Hornig vom NABU und Frau Birte Sterf vom BUND, sowie Herr Simon Piontek zur Verfügung gestellt haben. Vielen Dank dafür!)