„Unsere Kitas sind kein Pflegefall“ – wie es zu geänderten Betreuungszeiten in der Kita Ahornstraße kam | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Am 17. April berichtete der „Wiesbadener Kurier“ unter der Überschrift „Schock wegen verkürzter Betreuung“ von den neuen, interimistischen Betreuungszeiten in der Kita Ahornstraße. Wir haben dazu Hintergrund-Infos...

„Unsere Kitas sind kein Pflegefall“ – wie es zu geänderten Betreuungszeiten in der Kita Ahornstraße kam

Dieangepassten Öffnungszeiten gelten ab 01. Mai zunächst bis Ende des Jahres. Auch wenn wir versucht haben, das schlankere Angebot so flexibel wie möglich zu gestalten, stellt eine solche Maßnahme Eltern natürlich vor Herausforderungen. Deshalb möchten wir gerne erklären, was die Hintergründe sind.

Unter welchen Umständen werden Betreuungszeiten in einer Kita gekürzt?

Jede Kindertageseinrichtung der Gemeinde Niedernhausen muss in regelmäßigen Abständen dem zuständigen Jugendhilfeträger (für uns in Niedernhausen ist das die Fachaufsicht beim Rheingau-Taunus-Kreis) über ihre Betreuungskapazitäten Bericht erstatten. Dabei werden mit standarisierten Zahlenschlüsseln die Anzahl an verfügbaren Betreuungskräften gegen die Anzahl an zu betreuenden Kindern aufgerechnet.

Hinter den bloßen Zahlen verbergen sich konkrete Überlegungen wie zum Beispiel: Kann die Aufsichtspflicht der Kita mit dem vorhandenen Personal gewährleistet werden? Ist mit den zur Verfügung stehenden Kräften qualitativ gute pädagogische Arbeit in Gruppen und gezielte Förderung einzelner Kinder noch möglich? Und neben dem Wohl der Kinder muss selbstverständlich auch an das Wohl des Personals gedacht werden – können die pädagogischen Fachkräfte unter den vorhandenen Bedingungen ihren Job motiviert und unter akzeptablen Belastungen wahrnehmen. „Schwankungen im Personalstand können die optimalen Bedingungen in einer Kita schnell verändern. Wir streben nach einer optimalen Betreuung für die Kinder und wollen gleichzeitig attraktiver Arbeitgeber für die Fachkräfte in den Kitas bleiben. Das gilt für alle unsere Kitas“, erklärt Bürgermeisterin Lucie Maier-Frutig.

Wie kommt die derzeitige Situation in der Ahornstraße zustande?

In der Kita Ahornstraße sind aktuell leider mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgefallen - sowohl krankheitsbedingt, als auch durch ein schwangerschaftsbedingtes Beschäftigungsverbot.

Insgesamt muss man feststellen, dass die krankheitsbedingte Ausfallquote des Personals in Kindertageseinrichtungen deutlich höher ist als in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung. Naturgemäß geht das damit einher, dass die Kinder aufgrund des sich noch ausbildenden Immunsystems häufiger krank werden und damit auch Erzieherin und Erzieher anstecken können. Deshalb appellieren wir stetig an die Eltern, die Kinder zu Hause zu betreuen, wenn sie krank sind.

Darüber hinaus müssen Erzieherinnen und Erzieher in allen Kitas wachsenden Bedarfen und Herausforderungen gerecht werden. Erziehungspartnerschaften mit den Eltern sind nicht immer einfach, da die Kita nicht von allen als „familienergänzend“ betrachtet wird. Zudem wird auch die rechtliche Standardsetzung immer höher.

Dies möchten wir gerne an einigen greifbaren Beispielen erläutern:

In der Kita Ahornstraße (Elementarbereich = Kinder ab 3 Jahren) sind aktuell von 88 Kindern 14 Wickelkinder und weitere Kinder in zweistelliger Anzahl im Toilettentraining. Damit einher geht, dass nur Fachkräfte wickeln dürfen sowie Kinder im Toilettentraining mehrfach am Tag umgezogen werden müssen. Eine „Auflage“, dass Kinder nur „trocken“ in den Elementarbereich wechseln dürfen, ist wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz nicht möglich. Manche Eltern möchten z.B., dass ihre Kinder in der Einrichtung Mittagschlaf halten. Dies ist nur unter Aufsicht möglich, was wiederum teils ein 1:1 oder 1:2 Verhältnis Erzieherin zu Kind zur Folge hat.

Kitaübergreifend ist zu beobachten, dass die Anzahl der Kinder mit täglich herausforderndem Verhalten oder hohem Förderbedarf steigt. Zum Beispiel kann eine Vielzahl an Kindern im Elementarbereich nicht mit Besteck essen oder sich selbst Jacke oder gar Schuhe anziehen. Das bedeutet, dass eine intensive und individuelle Begleitung benötigt wird. Zudem treffen vermehrt unterschiedliche Kulturen und Sprachen aufeinander, deutsch ist zum Teil nur die Zweitsprache. Das bedarf deutlich zeitintensiverer Wege der Kommunikation und auch Eingewöhnungen dauern länger.

All diese und weitere Thematiken fordern zeitliche und personelle Ressourcen, die im Betreuungsschlüssel schon kaum abgebildet sind und parallel auf den Fachkräftemangel treffen.

Durch längere Ausfallzeiten in der Belegschaft ist in der Ahornstraße jetzt leider ein kritischer Punkt erreicht. Die Gemeinde als Träger der Einrichtung ist nach Sozialgesetzbuch dann verpflichtet, die Betreuungszeiten zu verkürzen.

Ganz wichtig: Die Maßnahme ist vorübergehend. Sobald sich die Personalsituation entspannt, werden die Betreuungszeiten wieder angepasst.

Allgemein müssen wir festhalten, dass Niedernhausen in der angespannten Kita-Situation kein Einzelfall ist. Allein in hessischen Kitas fehlen bis 2030 rund 18.800 pädagogische Fachkräfte. Der Beruf des Erziehers oder der Erzieherin ist leider durch den Aufbau der Ausbildung für viele junge Menschen weniger attraktiv: Über mehrere Jahre der Ausbildung verdient man sehr wenig. Da braucht es große Passion für den Beruf - oder finanzielle Unterstützung. Zeitgemäßere Modelle, wie die „Praxisintegrierte vergütete Ausbildung“ (PivA) müssen viel häufiger und flächendeckend in Gebrauch kommen. Hier ist die Politik in Land und Bund gefragt!

Doch das bedeutet natürlich nicht, dass wir in Niedernhausen nichts tun und auf andere hoffen – ganz im Gegenteil: Wir ringen nach Kräften um Lösungen!

Was tut die Gemeinde, um die Betreuungssituation zu verbessern?

Niedernhausen - auch wenn das für die aktuell betroffenen Eltern nur ein schwacher Trost ist - steht im Vergleich zu anderen Kommunen noch vergleichsweise gut da. In manchen Gemeinden unserer Region mussten Kitas über Wochen hinweg immer wieder ganze Tage schließen. In Niedernhausen konnten wir Engpässe in der Vergangenheit durch Austausch von Personal immer wieder gut auffangen. Zudem machen wir allen Eltern das Angebot, individuelle Lösungen zu finden.

Gute Bezahlung, gutes Arbeitsklima und viele Benefit-Programme sind Grundlage dafür, dass wir hier in Niedernhausen immer wieder schnell Personal für die Kitas bekommen und vorhandenes Personal halten können.

Auch wurden bei uns keine Stellen im Kita-Bereich gestrichen. Freiwerdende Stellen werden wiederbesetzt, so schnell es die Umstände zulassen. Offene Stellen bewerben wir nicht nur mit den „klassischen“ Mitteln des Personalmanagements, sondern auch auf sämtlichen uns zur Verfügung stehenden Medienkanälen und mit innovativen Ansätzen. Zusätzlich werden wir kreativ: Am 06. Mai laden zwei unserer Kindertageseinrichtungen zum „Kita Walk & Talk“, einem offenen Kennenlern-Format für Fachkräfte auf Jobsuche (mehr dazu hier: https://www.niedernhausen.de/verwaltung-politik/aktuelles/news/walk-talk-fuer-kita-fachkraefte-am-6-mai-2025/)

In der Ahornstraße ist die Verkürzung der Betreuungszeit vorläufig bis 31.12.2025 vorgesehen – sollten wir vorher Fachkräfte einstellen können, werden die Öffnungszeiten unverzüglich zurückgeführt. Dazu gibt es am 5.5. einen Elternabend an dem auch die Bürgermeisterin teilnimmt.